Die übrigen Länder schufen das Reichsnotariat erst nach Auflösung des Deutschen Reiches ab und unterwarfen es einer eigenen gesetzlichen Regelung. Hierbei beschritten sie verschiedene Wege. Dem Beispiel Preußens folgend, übertrugen sie zum Teil die Aufgaben des Notars dem Rechtsanwalt, zum Teil staatlich besoldeten Staatsbeamten, in Hamburg, dem Rheinland, der Pfalz und Bayern wurde mit Übernahme des „Ventôse-Gesetzes“ von 1803 das hauptberufliche Notariat französischer Prägung eingeführt bzw. beibehalten, welches den Notar als unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes auf Lebenszeit definierte und ein hauptberufliches Notariat mit Gebührenerhebungsrecht, staatlicher Ernennung und Aufsicht vorsah. Es zeigte sich, dass an kleineren Orten das Notariat nicht lebensfähig war. Für die Gebiete des rheinischen Rechts wurde daher durch Gesetz vom 13.4.1888 die Verbindung von Anwaltschaft und Notariat an denjenigen Orten zugelassen, an denen hierfür ein Bedürfnis bestand (sog. Notaranwalt).

Die Bemühungen um eine Vereinheitlichung des Notariats nach der Reichsgründung in den 70er Jahren des 19. Jahrhundert waren schließlich Anlass für die Gründung des ersten Deutschen Notarvereins. Dieser allerdings war kein Dachverband, sondern hatte unmittelbar Notare als Mitglieder, und zwar Notar aus allen deutschen Landen, auch die mittlerweile in die Freiberuflichkeit entlassenen preußischen Anwaltsnotare. Der zweite Deutsche Notarverein, gegründet am 11.9.1900 insbesondere auf Initiative des Anwaltsnotars Adolf Weißler aus Halle/Saale hatte im Jahr 1929 immerhin 6140 Mitglieder, darunter zahlreiche Anwaltsnotare, bestand bis zu seiner Zwangsauflösung im Mai 1933 und nahm die Kollegialinteressen auf Reichsebene wahr.
Seit dem 1.1.1900 galt das Preußische Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 21.9.1899, wonach es gemäß Art. 78 im Ermessen des Justizministers stand, hauptberufliche Notare oder Anwaltsnotare zu ernennen, und zwar überall in Preußen, d. h. sowohl in Alt- als auch in Rheinpreußen. Die Befugnis wurde in der Weise ausgeübt, dass im früheren Gebiet des rheinischen (französischen) Rechts, d. h. im OLG-Bezirk Köln und einem Teil des OLG-Bezirks Düsseldorf, Nur- und im übrigen Preußen Anwaltsnotare entsprechend der früheren Regelung ernannt wurden. Allerdings gab es in den Jahren ab 1906 vorübergehend vereinzelte Versuche in Altpreußen, Nurnotariate einzurichten. Von den weiteren deutschen Ländern bestellten die mittel- und norddeutschen (Königreich Sachsen, sächsische Herzogtümer, Braunschweig, Anhalt, später Oldenburg, Bremen und Lübeck) nur oder fast nur Rechtsanwälte zu Notaren, teils wurden auch in Hessen und Württemberg Anwaltsnotare bestellt.In einer Reihe von Ländern bestand übrigens über einen langen Zeitraum gar kein Notariat, in den beiden Lippeschen Ländern wurde es z. B. erst 1937 in Form des Nurnotariats eingeführt.

Die Entstehungsgeschichte des Anwaltsnotariats wird zum Teil so interpretiert, dass sich die Verbindung von Notariat und Advokatur nicht aus dem Gedanken einer sachlichen Zusammengehörigkeit ergeben habe, sondern als zufällige Folge einer fehlgeschlagenen Justizreform und als Maßnahme zur Behebung eines wirtschaftlichen Notstandes. Dabei wird die Entwicklung zum Anwaltsnotariat als eigentümlich, sogar als Zufallsprodukt bis hin zur Anomalie bezeichnet. Sowohl Gegner wie Fürsprecher des Anwaltsnotariats nehmen für sich indessen die gleichen geschichtlichen Quellen in Anspruch, um entweder die „reine Lehre“ des Nurnotariats zu rechtfertigen oder umgekehrt von einer geschichtlich gewachsenen und bewährten Tradition des Anwaltsnotariats zu sprechen.

Nach der Reichsgründung von 1871 stießen Bestrebungen der preußischen Regierung, das Notariatsrecht im Reich zu vereinheitlichen, auf die Ablehnung der Mittelstaaten im Bundesrat und wurden seit dem Frühjahr 1874 nicht mehr weiter verfolgt. In den Folgejahren kamen vereinzelte Initiativen und Entwurfsarbeiten zur Errichtung einer Reichsnotariatsordnung im Reichstag und im Bundesrat letztlich über bloße Absichtserklärungen nicht hinaus.