Während die fakultative Verbindung des Notariats mit anderen Berufen, insbesondere des Rechtsanwalts, geschichtlich lange zurückreicht, stellt die obligatorische Bindung des Notariats an den Anwaltsberuf eine Besonderheit dar, deren Ursprung auf deutschem Gebiet in Brandenburg-Preußen zu sehen ist. Allerdings ist das Anwaltsnotariat der Gegenwart deutlich von seinen preußischen Vorläufern dadurch zu unterscheiden, dass es im freiheitlichen Verfassungsstaat zu einer autonomen Instanz der Rechtspflege geworden ist. Von den zahlreichen Versuchen, die gesetzgeberische Axt an die Wurzel des Anwaltsnotariats zu legen, kommt der RNotO von 1937 eine herausragende Bedeutung zu, ihre Umsetzung verhinderte zunächst der Ausgang des 2. Weltkriegs sowie später ein von breitem berufsständischen Konsens getragenes, zumindest grundsätzliches Festhalten am Status Quo, von regional begrenzten Änderungen einmal abgesehen. In der DDR und den aus ihr nach der Wiedervereinigung hervorgehenden neuen Ländern musste das Anwaltsnotariat hingegen eine bedeutsame Niederlage hinnehmen, welche der Gesetzgeber bei der Schaffung der BNotO in den Jahren vor 1961 seinerzeit kaum voraussehen konnte.
Bis heute ist indes die Diskussion um das Für und Wider der beruflichen Verbindung zwischen Rechtsanwalt und Notar nie ganz zum Erliegen gekommen, wie das Beispiel Baden-Württemberg gerade in jüngster Zeit unterstreicht. Das Bundesverfassungsgericht betrachtet die Rechtsgrundlage des Anwaltsnotariats, § 3 Abs. 2 BNotO, neuerdings offenbar als Ausnahmeregelung und meint, dass Notariatswesen im Bundesgebiet werde gemäß § 3 Abs. 1 BNotO durch hauptberufliche Notare „geprägt“, wobei sowohl Nur- als auch Anwaltsnotare selbständige freiberufliche Unternehmer seien. In der neueren Literatur wird demgegenüber zutreffend darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung Notar „im Nebenberuf“ zwar der historisch tradierten Sichtweise Rechnung trage, diese jedoch nicht mehr der Realität entspreche, da angesichts der erheblich gestiegenen Anforderungen im Notarberuf und aufgrund der Festlegung höherer Bedarfszahlen durch die Landesjustizverwaltungen im Rahmen der Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO viele Anwaltsnotare heute in erster Linie als Notar tätig seien.
Eines ist schließlich sicher: Das deutsche Notariat im Allgemeinen und das Anwaltsnotariat im Besonderen werden in Anbetracht der fortschreitenden Entwicklung der europäischen Gesetzgebung in Zukunft noch mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert werden; wohin genau „die Reise“ gehen wird, ist erneut schwerlich abzuschätzen, wird aber vermutlich von dem weiteren Werdegang der Europäischen Union in ihrer Gesamtheit abhängen oder wenigstens davon erheblich beeinflusst werden. In jüngster Zeit scheinen Tendenzen zu einem Auseinanderdriften der EU-Mitgliedsstaaten zu erstarken. Der sog. „Brexit“ ist ein mehr als deutliches Signal dafür. Wie sich die seit dem 01.05.2011 als Voraussetzung für die Bestellung zum Anwaltsnotar abzulegende notarielle Fachprüfung, §§ 7a – 7i BNotO, auf den Bestand des Anwaltsnotariats langfristig auswirken wird, bleibt ebenfalls abzuwarten.
Abschließend sei bemerkt, dass der vorstehende Beitrag ungeachtet seiner historischen Thematik dazu dienen möge, zumindest eine kleine Lanze für die Zukunft des Anwaltsnotariats zu brechen. Wenn man sich die zahlreichen Stimmen, die dies schon in der Vergangenheit getan haben, vor Augen führt, so sticht eine davon durch ihre besondere Leidenschaft hervor: 1934, als das Schicksal des Anwaltsnotariats praktisch besiegelt zu sein schien, trat mutig der Berliner Rechtsanwalt und Notar Wilhelm Scholz auf und äußerte begründete Zweifel, ob sich die von Wolpers propagierte „Idealfigur“ eines Notars überhaupt verwirklichen lasse. Dem hauptberuflichen Notar fehle nämlich die „Fülle der Anregungen“, die dem Anwaltsnotar ständig zufließe, sowie der „Kampf ums Recht mit dem hieraus fließenden Kraftquell“, durch Nur-Bürotätigkeit drohe man einseitig zu werden in seinen Rechtskenntnissen und sei der Gefahr ausgesetzt, „in einen weltfremden Formalismus und blutleeren Bürokratismus abzusinken“.
In der Vergangenheit lag eine signifikante qualitative Schwachstelle des Anwaltsnotariats in der berufsspezifischen Ausbildung und Vorbereitung auf das Amt, es wird jedoch nunmehr auch von einer im Vordringen begriffenen Meinung in den Kreisen des Nur-Notariats zunehmend anerkannt, dass insbesondere die notarielle Fachprüfung ihre gewünschte Wirkung auf das Qualitätsniveau im Anwaltsnotariat nicht verfehlt hat. Etliche angehende Anwaltsnotarinnen und -notare nutzen erfreulicherweise die Möglichkeit, ihre Praxisausbildung i. S. v. § 6 Abs. 2 S. 2 BNotO bei einem Nur-Notar oder einer Nur-Notarin zu absolvieren. Im Bereich der Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren zu notarspezifischen (Neu-)Regelungen sowohl auf nationaler als auch EU-Ebene ziehen die beiden in Deutschland verbliebenen Notarformate ohnehin in der Regel „an einem Strang“ oder ergänzen einander in für alle Beteiligten gewinnbringender Weise; nennenswerte Meinungsverschiedenheiten treten eher vereinzelt auf. Gleiches gilt in puncto Fachliteratur und im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen.
Sicherlich machte man es sich zu leicht, würde man für eine gesicherte Zukunft des Anwaltsnotariats lediglich das Argument anführen, dass es weiterhin gerade das zu erhalten gelte, was die Nationalsozialisten in ihrem alles und jeden erfassenden Gleichschaltungswahn nachdrücklich abschaffen wollten, wohl auch deshalb, weil man meinte, der Anwaltsnotar neige eher zu Widerspruch gegenüber der „Obrigkeit“ als sein hauptberufliches Pendant. Doch gerade in heutiger Zeit dürfte eine in vielen Lebensbereichen sowie Berufsfeldern anzutreffende und etablierte, alle beteiligten Kreise bereichernde „Einheit in Vielfalt“ durchaus ein Wert für sich sein. Dabei bilden BNotO, BeurkG, DONot und viele andere berufsrechtliche Vorschriften das gemeinsame „Dach“, unter dem sich alle Trägerinnen und Träger dieses für Verbraucher wie Gewerbetreibende gleichermaßen so enorm wichtigen öffentlichen Amtes versammeln, dessen Bedeutung bisweilen unterschätzt wird. Eine gewisse, von Seriosität und Kollegialität geprägte Konkurrenzsituation zwischen den beiden Notariatsformen ist dabei keineswegs hinderlich, sondern belebt vielmehr sprichwörtlich das Geschäft.
In der notariellen Praxis besteht schließlich viel häufiger die Gelegenheit, einen Blick über den „Tellerrand“ zu werfen, indem man sich Urkunden eines anderen, mitunter weit entfernt am anderen Ende der Bundesrepublik ansässigen Notarkollegen mit fachkundigem Auge anschaut, um sich dabei Anregungen für die eigene Urkundengestaltung zu holen, als gemeinhin bekannt ist; von dieser Möglichkeit wird zweifellos nicht nur „einseitig“ mit regem Interesse Gebrauch gemacht, einschlägige Gespräche unter Kolleginnen und Kollegen, Diskussionen in Fachkreisen belegen dies immer wieder.
Zahlreiche Anwaltsnotarinnen und -notare sind mittlerweile zugleich außerordentlich praxiserfahrene Fachanwältinnen und -anwälte, etwa für Handels- und Gesellschaftsrecht, Familien- oder Erbrecht – Rechtsgebiete, die auch im Notariat eine tragende Rolle spielen. Sie bringen ihre dabei gewonnenen forensischen Erfahrungen geschickt in die Urkundengestaltung ein: Wer genau weiß, worüber vor Gericht regelmäßig gestritten wird, kann zielgerichtet Klauseln formulieren, die typische Streitfälle von vornherein zu vermeiden suchen oder zumindest geeignet sind, sie in geordnete Bahnen zu lenken, zumal wenn sogar die einschlägige unveröffentlichte Rechtsprechung der lokal oder überregional ansässigen Gerichte bestens bekannt ist.
An dieser Stelle soll es zur eingangs aufgeworfenen Frage nach dem „Unde venis?“ sein Bewenden haben.
Die Frage nach dem „Quo vadis?“ wird nicht zuletzt jede Anwaltsnotarin und jeder Anwaltsnotar im täglichen Dienst für die Rechtsuchenden durch das bei der notariellen Arbeit aufgewendete Maß an Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit mitbeantworten müssen, das gilt auch im Rahmen der Fortbildung sowie des im weitesten Sinne berufsständischen und ehrenamtlichen Engagements, das in der Hektik des notariellen Alltagsgeschäfts leider ebenso häufig wie zwangsläufig zu kurz kommt.